GÖTTLICHE EXISTENZ
Kassandra von Troja - wenn du mit der Geschichte des Trojanischen Krieges vertraut bist, wird dir Kassandra bestimmt etwas sagen. Die Hellseherin, der man keinen Glauben schenkte. Einst erweckte sie die Aufmerksamkeit des Apollon und bekam von ihm die Gabe, in die Zukunft zu sehen. Obwohl sich der Gott die Gunst der jungen Frau erhoffte, lehnte sie ihn ab. Da Götter im allgemeinen nicht sonderlich gut mit Zurückweisungen zurechtkommen, verfluchte Apollon sie. Niemand solle je wieder ihrer Prophezeiungen Glauben schenken.
Antigone - vielleicht erinnerst du dich noch aus Schulzeiten an diese griechische Tragödie. Kreon, der Tyrann Thebens, verweigert seinem Neffen die Bestattung und droht jedem mit Bestrafung. Antigone widersetzt sich ihrem Onkel und wird daraufhin lebendig eingemauert. Zunächst bringt Antigone sich um, schließlich ihr Verlobter Haimon, Sohn des Kreon, und dann Euridyke, Frau des Kreon.
GEMEINSAME GESCHICHTE
Kassandra von Troja - Die Gabe in die Zukunft zu sehen und von niemandem ernst genommen zu werden, ist ein grausames und hartes Schicksal. Wer weiß schon, warum Kassandra Apollon ablehnte? Vielleicht sah sie bereits voraus, dass in den Schatten jemand auf sie wartete? Vielleicht sah sie sich bereits glücklich in Thanatos Armen liegen?
Als sich die beiden begegnen und Thanatos sehen muss, welches Leid ihr im speziellen widerfahren ist, kann er nicht aufhören sie aufzusuchen. Er ist einer der Götter, der die List des Apollons durchschaut und die Bedeutung Kassandras Visionen glaubt. Nicht, dass Thanatos damit etwas angefangen hätte. Der trojanische Krieg war nicht nur ein Krieg der Menschen und er hatte wirklich keine Lust darauf sich von den Olympianern in etwas hineinziehen zu lassen. Dass er bereits einen Groll gegen Apollon hegte, hatte für ihn damit nichts zu tun.
Der trojanische Krieg war lang, doch Thanatos und Kassandra fanden Trost in den Armen des anderen. Dass es gerade eine Sterbliche war, die ihn dazu bringen würde, das erste Mal wahrhaftig zu lieben, barg für den Gott des Todes eine gewisse Ironie. Es waren schöne aber kurze Jahre. Thanatos wusste, dass Kassandra eines Tages sterben würde. Dass es so schnell kommen würde, hatte er nicht voraussehen können. Kassandra wahrscheinlich schon. Als Troja fiel, wurde sie verschleppt, entführt und schließlich umgebracht. Thanatos verfiel nach ihrem Tod in eine für ihn untypische Raserei. Zunächst weigerte er sich seinen Aufgaben als Gott des Todes weiter nachzugehen, ergab sich dann doch wieder seinem Schicksal. Er grollt den Göttern, die am Leid Kassandras und das Trojas verantwortlich sind, bis heute.
Die Jahrhunderte vergingen und der Schmerz über Kassandras Verlust geriet in Vergessenheit. Thanatos verliebte sich wieder aber niemals ließ er wieder jemanden so an sich heran wie einst Kassandra an seiner Seite stand. Als er nichtsahnend in das Camp zurückkommt und die unvergleichliche Schönheit ihrer irdischen und seelischen Gestalt sieht, weiß er mit der Flut an Gefühlen kaum umzugehen.
Antigone - die Tragödie scheint ein lächerlicher Witz für das zu sein, was sich wirklich zugetragen hat. Wenn man Thanatos nach dieser Zeit in Theben fragt, wird er äußerst still. Und das deshalb, weil er sich an die schönste Frau zurückerinnert, die jemals gelebt hat. Antigone war jemand, die ihn von der ersten Sekunde an beeindruckt hat. Willensstark, sturköpfig, streng. Etwas, was dem Gott ziemlich gut tat, wenn man bedenkt, dass ein Großteil seiner Gesellschaft aus Hypnos bestand. Er war immer nachsichtig mit seinem Bruder.
Thanatos war von Antigone von der ersten Sekunde an bezaubert, auch wenn er versuchte sich einzureden, dass er sie nicht lieben würde. Ihre geheime Affäre war das Süßeste, was Thanatos aus seinem langen Leben erinnern würde. Ihre Beziehung war anfänglich voller Unschuld ehe sie in nie endender Leidenschaft mündete. Seine wahre Identität blieb so lange geheim bis Antigones Vater starb und die junge Frau niemand geringeren als Thanatos in seiner göttlichen Form entdeckte. Dass sie ihn durch den Schleier sehen konnte, hatte vielleicht ihre monatelange Affäre zu Folge oder aber das Kind unter ihrem Herzen war der Grund.
Doch mit dem Tod Antigones Vater war ihre glückliche und unbeschwerte Zeit vorbei. Kreon, Antigones verachteter Onkel, folgte auf den Thron Thebens. Und damit ging so viel schreckliches einher. Antigones Affäre zu dem Gott war zwar eine geheime Angelegenheit aber in den Wochen und Monaten hatten sich Gerüchte aufgetan, die Kreon nicht mehr hören wollte. Die Verlobung mit Haimon wurde arrangiert, der darüber zwar glücklich erschien aber seine zukünftige Braut das ganze Gegenteil war. Thanatos flehte seine Geliebte an mit ihm zu fliehen, ihre sterblichen Jahre an einem anderen Ort zu verbringen und wenn ihre Zeit gekommen war, würde er Zeus persönlich anflehen sie unsterblich zu machen. Doch Antigone zögerte und das würde ihr Untergang sein. Ihr Bruder verstarb und sollte nach Kreons Befehel die Bestattung verweigert werden. Doch Antigones stures Wesen verleitete sie zu einer winzigen Rebellion, einem Gefühl der Kontrolle in diesen unsicheren Zeiten.
Selbst als Antigone eingemauert wurde, sie wusste, dass es nun keinen Ausweg mehr für sie geben würde, verweigerte sie es mit Thanatos zu fliehen. Er würde diese menschliche Ader niemals verstehen. Er verstand nicht, als sie etwas von Ehre ihres Bruders und ihrer Familie sprach. Dass sie ihr Leben gewaltvoll beendete und sich seiner Schwester damit regelrecht in die Arme warf, war ein Schmerz, der auch noch nach Jahrhunderten in seinem Inneren schwelte. Auch wenn Ker ihre Finger nicht im Spiel hatte, wusste Antigone was der Freitod bedeutete. Er war weder natürlich noch in Antigones Fall friedlich. Thanatos hatte keine Chance ihre Seele hinab in den Hades zu führen.
Als Thanatos Theben verließ, sprachen ihm böse Zungen hinterher: »Und das geschieht, wenn man den Gott des Todes liebt.«